Orgellandschaften

Zur Auswahl der Instrumente

Diese Präsentation enthält kurze Portraits von über 160 Orgeln des 17. und 18. Jahrhunderts. Nicht der Anspruch auf Vollständigkeit hat die Auswahl der Instrumente und Musikbeispiele bestimmt, sondern der Wunsch, in die Vielfalt der ganz unterschiedlichen Instrumente und die Geschichte der Ideen einzuführen, die das Wesen der komplexen technischen und poetischen Meisterwerke formen. Statik, Feinmechanik und der Regelkreis der Windströme werden in der Orgel zum reinen Klang, zum Zweckbestimmten im Barock, wo Musik die Glorie der Gotteserkenntnis ausdrückt oder dem Wort der Verkündigung gleichgestellt wird.

Orgellandschaften

Einführung

Schon im 15. und 16. Jahrhundert bildeten sich in einzelnen Regionen einzelne Orgelbaustile heraus, die sich in der technischen Anlage, der Vorliebe für bestimmte Orgelregister, der Anlage der Gehäuse, der Plazierung der Orgel im Raum usw. voneinander unterschiedlich weiterentwickelten. Diese Orgellandschaften prägen sich äußerlich manchmal mehr nach topographisch oder kirchenhistorisch definierten Regionen aus als nach politischen Abgrenzungen. Die Reformation schuf zudem eigene Liturgien, in denen die Mitwirkung der Orgel jeweils eigens geregelt wurde; in der Folge haben die Orgeln beispielsweise in den reformierten Niederlanden, im anglikanischen England, im lutherischen Norddeutschland oder im katholischen Südeuropa ganz unterschiedliche liturgische Funktionen zu erfüllen und spezifischen Anforderungen zu genügen. Und auch innerhalb der jeweiligen Bekenntnisse ergeben sich Differenzierungen. So bildeten im nördlichen Alpen- und Voralpenraum beispielsweise die alten Bistümer Konstanz, Chur, Brixen und Augsburg eine relativ einheitliche Orgellandschaft auf dem Boden der heutigen Staaten Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien (erweiterter Bodenseeraum einschließlich Alt-Tirol), die sich beispielsweise deutlich von der östlichen Nachbarregion der Bistümer Freising, Passau, Salzburg oder Alt-Österreichs unterscheidet.

Prägend konnten sich aber auch landesherrliche Privilegien für einzelne Orgelbauer auswirken, wie etwa das kursächsische Privileg für Gottfried Silbermann oder dasjenige für Heinrich Gottlieb Trost in Sachsen-Gotha-Altenburg; da diesen das ausschließliche Recht für Orgelneubauten in „ihrem“ jeweiligen Territorium zustand, fand der jeweilige Personalstil bald weite Verbreitung. Derartige Entwicklungen förderten die Herausformung bedeutender Orgelbauerdynastien wie der Familie Egedacher in Passau und Salzburg, der Silbermann in Sachsen und im Elsaß, oder der Schnitger an der Nordseeküste. Daneben gelangten einige herausragende, oft besonders kreative Orgelbauerpersönlichkeiten, wie etwa Joseph Gabler, schon im 18. Jahrhundert zu manchmal europaweitem Ruhm.

Besonders exemplarische Orgelbauten, die in einzelnen Fällen auch ganz unterschiedliche Orgelbautraditionen miteinander zu vereinigen und verschmelzen vermochten, erregten in Fachkreisen schon im 18. Jahrhundert große Aufmerksamkeit. So gelang es Eugen Casparini (1623-1706), der, aus Sorau in Schlesien stammend, bis zu seinem 60. Lebensjahr überwiegend in Oberitalien (v.a. Venedig und Padua) tätig war, ab 1697 in Görlitz eine Orgel zu errichten (aufgrund ihrer Dekoration in der Front „Sonnen-Orgel“ genannt), die eine außergewöhnliche Synthese zwischen italienischer und süddeutscher Orgeltradition darstellte und den Orgelbau im gesamten Alt-Österreich (wozu Schlesien damals gehörte) nachhaltig prägte. Karl Joseph Riepp schuf eine vergleichbare Synthese zwischen französischen und süddeutschen Orgelgestaltungsprinzipien bei seinen beiden Chororgeln für Ottobeuren. Es darf auch erwähnt werden, daß schon im 18. Jahrhundert Orgeln zu „Reisezielen“ avancierten, die ein bessergestelltes und kunstsinniges Publikum ebenso wie professionelle Musiker gleichermaßen anziehen sollten und auch anzogen! Berühmte Orgeln wie die der Augsburger Barfüßerkirche von Johann Andreas Stein, die auch Mozart und vielleicht auch Beethoven besuchten, wurden in der Folgezeit ganz oder in Teilelementen kopiert, um ähnliche Attraktionen zu schaffen – auch dies ein Faktor, der einzelne Orgellandschaften prägen konnte, aber auch auf andere entferntere Gebiete ausstrahlen konnte.

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