Das französische Cembalo

Cembalo, Henri Hemsch ca. 1736, Museum of Fine Arts, Boston

Dieses zweimanualige Cembalo ist ein typisches Beispiel für die französischen Cembali des 17. und 18. Jahrhunderts. Für diese Instrumente entstand nicht nur die französische Clavecin-Literatur von den Couperin bis zu Rameau, sie bildeten auch die Vorbilder für die Cembalobauer anderer Länder in dieser Zeit (außer in Italien).


Musikbeispiel:
Giovanni Benedetto Platti (ca 1690-1763), Sonate D-Dur, 1. Satz, Adagio
aus "VI Sonates pour le Clavessin sur le gout italien" 1742
gespielt von Christoph Hammer
Instrument: Cembalo von Henri Hemsch, Paris 1770

 

Die französischen Cembalobauer der Zeit um 1700 zählten vielleicht zu den größten Bewunderern der Instrumente der Ruckers und anderer Hersteller aus Antwerpen – doch die Geschichte des französischen Cembalobaus ist in mancher Hinsicht die einer geradezu planmäßigen Vernichtung flämischer Cembali. Die Anfänge des französischen Cembalobaus liegen im 16. Jahrhundert, doch ist kaum ein Instrument aus der Zeit vor 1650 erhalten geblieben. Die frühesten erhaltenen Instrumente sind etwas leichter und kürzer als flämische Instrumente der Zeit und nehmen geographisch wie klanglich eine Art Mittelstellung zwischen italienischen und flämischen Instrumenten ein; eine Besonderheit ist allerdings, dass sie durchweg zwei Manuale mit drei Registern (2x8’+4’) besaßen. Anders als die flämischen zweimanualigen Cembali, die das Transponieren erlauben sollten, aber auf beiden Manualen gleich klangen, klangen die beiden Manuale auf französischen Instrumenten unterschiedlich – die für das Cembalo typische Möglichkeit zum expressiv-kontrastierenden Spiel auf zwei Manualen war entstanden.

Um 1680 starb die flämische „Dynastie“ Ruckers-Couchet aus, der stete Import neuer Instrumente aus Antwerpen versiegte. Gleichzeitig entstand der Wunsch, den Tonumfang der Instrumente zu erweitern (von traditionell C-c3 auf F’-f3). Die „Lösung“, die den Pariser Cembalobauern hierzu einfiel, war das sogenannte Ravalement, eine Umbauprozedur, in der manche Betriebe wie der der Famile Blanchet (später Taskin) eine große Meisterschaft an den Tag legte, die aber manchem Liebhaber alter Cembali noch heute den Atem stocken läßt: Dabei wurde ein flämisches Cembalo zuerst zerlegt, dann der Länge nach zersägt. Sodann wurde in der Länge und der Breite sowohl das Gehäuse als auch der Resonanzboden angesetzt und auf größere Ausmaße gebracht; Stimmstock, Tastatur, Springer und Registermechanik entstanden neu (und – so die zeitgenössischen Berichte – mit viel größerer Präzision als ursprünglich). Weitere genuin französische „Zutaten“ waren die Manualkoppel, das neuartige Peau de buffle-Register mit Plektren aus Büffelleder und die von Pascal Taskin entwickelten Kniehebel zum Wechseln der Register.

Man wollte auf diese Weise die Tonqualitäten der flämischen Instrumente bewahren, aber die Instrumente den Erfordernissen des neuen Repertoires der Clavecinisten wie der Familie Couperin und anderer anpassen. Ohne Zweifel gelang dies, doch nur wenige flämischen Cembali haben das 18. Jahrhundert ohne diese radikalen Veränderungen überdauert.

Diese Instrumente nach dem Grand Ravalement (und die französischen Neubauten des 18. Jahrhunderts) beeindruckten mit ihrer Klangfülle und den spieltechnischen Möglichkeiten auch die Cembalobauer anderer Nationen, vor allem in England und Deutschland. Doch in Frankreich selbst blieben nur wenige Instrumente erhalten. In der französischen Revolution und ihren Nachwehen gingen Unmengen französischer Tasteninstrumente – Symbole des Ancien regime – unter.



 
 
 

© Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde | info@greifenberger-institut.de