Wissenschaftliche Rekonstruktion eines Hammerflügels von Louis Dulcken, München, 1805

im Besitz des GIMK, ehemals im Besitz der Fürsten von Thurn und Taxis, Regensburg

Prellzungenmechanik mit Auslösung
Tonumfang: 6 Oktaven (C1-c4)

Die Dokumentation und den Nachbau dieses Flügels haben wir im Jahr 2022 begonnen.

Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805 
Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805
Draufsicht Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805 
Draufsicht Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805
Klaviatur Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805
Klaviatur Originalinstrument: Louis Dulcken, München, 1805


Kurzbeschreibung des Flügels

Außen:
Korpus Nadelholz, rundum Mahagoni furniert, Stoßwand, Hohlwand und Baßwand mit halbrunden Holzleisten, die mit Messing belegt sind, umrahmt; Klaviaturraum mit Riegelahorn furniert, mit schwarzer Ader umrahmt, Signatur auf Riegelahorn in längsovalem Messingrahmen; Unterboden Fichte, Holzverlauf längs der langen Wand, vorne mit Querstück, an dem die Kniehebel befestigt sind; Wände stehen auf dem Boden auf, der rund um das Instrument einen Überstand bildet; drei runde, konisch nach unten zulaufende Beine, in runden, an den Boden geleimten Holzklötzen eingedreht, mit Messingfüßen; Deckel glatt, dreiteilig, mit angehängter Klaviaturklappe, mit Deckelstütze; aufliegendes Notenpult mit nach oben herausschiebbarer Notenauflage und seitlichen, herausziehbaren Kerzenständer-Tellern; doppelter Resonanzboden verloren, Auflagen vorhanden.

Innen:
Damm Fichte mit Fenster; zwischen h0 und c1 hölzerne Stimmstockspreize zwischen Damm und Stimmstock, in Hartholzeinlage am Damm eingelassen, über der Spreize Blindchor; Stimmstock Buche, mit Ahorn furniert, Wirbel nach Tastenbild, durchgehend 2-chörig; Innenkonstruktion mit A-Frame-Rasten, der von zwei am Boden verdübelten Längsstreben und vier Querbalken - zwei Unterboden-Streben innen und zwei Horizontal-Spreizen außen - verstärkt wird;

Resonanzboden:
Resonanzboden Fichte, parallel zur Rückwand, an der langen Wand profilierte, geschwärzte Zierleiste; Anhangleiste auf dem Resonanzboden, schwarz gefärbt; Berippung durch zwei Löcher im Unterboden und durch das Dammfenster einsehbar: Hauptrippe links vom und wohl parallel zum Steg, links von der Hauptrippe vier trapezförmige Rippen, im rechten Winkel zur langen Wand stehend, rechts flache Fichtenholzstreifen; Resonanzbodensteg aus einem Stück, Kurve an der Baßseite gesägt, an der Diskantseite gebogen, rechtwinkliger Querschnitt mit abgefasten Kanten, Enden senkrecht beschnitten, durchgehend doppelt bestiftet;

Mensur:
im Diskant von c1 bis c4 mit pythagoreischem Oktavverhältnis 2:1, dann Verkürzung. Bezug im Baß von CC bis HH Messing, C bis c4 Eisen, nicht original.

Klaviatur:
Klaviaturrahmen Fichte, überplattet, Erweiterung im Baß bis C1 angesetzt (ursprünglich nur bis F1 konzipiert), auf zwei Leisten mit Rollen für die Verschiebung liegend; Wangen aufgesetzt, im Bereich des Waagbalkens ausgesägt; Waagbalken Buche, Tastenhebel Fichte, im Baß bis zur Spreize gerade, zum Diskant hin leicht gekröpft; Belag Elfenbein, zweiteilig, Stirnplättchen aus Ahorn, quer-treppenförmiges Profil; Obertasten Obstholz mit Belag aus Ebenholz, auch über die Stirnseite; keine Tastenführungsbäckchen, Tastenführung durch Vorderstifte, Fallbegrenzung mit Oberpolster hinten (Anschlagpolster am Tastenhinterende).

Mechanik:
Prellzungenmechanik mit Stiefeldämpfung im Gesamtumfang; Hammerstiele aus Birnbaum oder Elsbeere, zum Diskant länger werdend; Hammerköpfe aus Birnbaum oder Elsbeere, aufwendig gearbeitet, ein- bis zweifach beledert (nicht original), mit Bohrung auf die Stiele gesteckt; Achsen aus gehärtetem Eisen, in Wiener Messingkapseln geführt; Prellzungen aus Birnbaum oder Elsbeere, mit Pergamentstreifen angehängt, mit Messingfedern geführt, ohne Einstellvorrichtung; betuchte Hammerkopfpolster und belederte Dämpferstühle aus Linde; Fängerleiste mit auf eindrehbaren Drahtstiften sitzenden Einzelfängern aus Birnbaum oder Elsbeere, einfach beledert (Leder nicht original); Dämpfung im Baß mit einfach belederten Keilen, ab c1 mit Flachdämpfern.

Veränderungen:
Vier Kniehebel: Dämpferaufhebung, Moderator mit einfachem Tuch (nicht original),  Verschiebung, Fagottzug mit Pergamentrolle

Weiteres:
Nummer auf dem Stimmstock im Diskant: Z.65 (Fabrikations- oder Inventarnummer); auf dem Unterboden Brandzeichen „TT“ mit darüberliegender Krone, 4 aufgeklebte Etiketten mit verschiedenen Ziffern (Inventarnummern: T 4853, 2x T 7292 und Versteigerung: St.E.17764)

Die Tiefenerweiterung geschah seinerzeit auf Kundenwunsch, um auch Harfenliteratur spielen zu können.


Zu Louis Dulcken

aus: Felix Joseph Lipowsky, Baierisches Musik-Lexikon, München 1811, S. 70

"Dulken, (Johann Ludwig), wurde zu Amsterdam den 5. August 1761 geboren, lernte in seiner Vaterstadt, und dann in Paris von seinem Vater Klaviere, Fortepiano und dergleichen Instrumente bauen, und wurde von dem Churfürsten Karl Theodor als mechanischer Klaviermacher an seinem Hofe zu München 1781 angestellt, in  welcher Eigenschaft er sich noch [1811] befindet, und daselbst den 18. April 1799 die berühmte Klavierspielerin Sophie Le Brün heirathete. Dieser Künstler erwarb sich durch seine vortreffliche Fortepiano, die einen reinen, sonoren Ton haben, eine andauernde Stimmung halten, und durch einen geschickten angebrachten Mechanismus Fagote, Harfe, Harmonika &c. nachahmen, die von Friederici in Gera erfundene Bebung vortrefflich en[t]halten, usw. auch sich durch eleganten und geschmackvollen Bau auszeichnen, große Celebrität, seine Instrumente sind sehr gesucht und willkommen, und finde zahlreichen Abgang nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in Frankreich, in der Schweiz, Italien, Rußland usw."


Durch seine Heirat mit der Pianistin Sophie Lebrun war Dulcken mit vielen bedeutenden Musikerfamilien  aus dem Kreis des ehemaligen Mannheimer Orchesters in München und international direkt verwandt und verschwägert, darunter die Familen Danzi, Lebrun, Brunner, David.

Klavierkonzert für seine Nichte von Franz Danzi, op. 4
Klavierkonzert für seine Nichte von Franz Danzi, op. 4
 
 

Weiterführender Artikel:

"Heinrich Marchand, Louis Dulcken und das Haus Thurn und Taxis"
Margarete Madelung, 1998

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