Einführung: Regionale Orgeltypen in Frankreich

Frankreich besitzt eine Orgellandschaft von einzigartiger Geschlossenheit. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts vollzog sich eine Tendenz zur Rationalisierung und Standardisierung der Orgel, die zu einem in (nahezu) ganz Frankreich einheitlichen und unverkennbaren Stil der Orgelgestaltung führte; lediglich in einigen Randbereichen wie im Elsaß oder nahe der Mittelmeerküste lassen sich vereinzelt Einflüsse der deutschen, italienischen oder spanischen Orgelstile erkennen. Die französischen Orgeln folgten einem, von Orgelbauern und Komponisten herausgebildeten Plan, in dem jedes Register einen (und manchmal nur einen einzigen) ganz bestimmten Zweck für eine spezifische Registrierung, einen speziellen Effekt, eine charakteristische musikalische Gattung oder eine besondere Spielmanier erfüllte.

Da sich die französischen Orgeln des Barock in so vielen Einzelheiten ähnlich waren, war es den Orgelkomponisten möglich, bestimmte Registrierungen für ihre Kompositionen vorzuschreiben, die auf nahezu jeder Orgel auch realisiert werden konnten. Jede französische Orgel verfügte über ein ganzes Repertoire an solistischen Klängen wie „Flute", „Cromorne", „Trompette", „Voix humaine" oder „Hautbois", das „Recit"/„Cornet", dazu im Kontrast ein „Grand Jeu" usw. usw. Die Mehrmanualigkeit und die solistische Besetzung des Pedals ermöglichte die unterschiedlichen Stimmlagen wie „Dessus", „Taille" oder„Basse" mit beiden Händen auf unterschiedlichen Manualen hervorzuheben.

Diese Eigenheit des französischen Orgelstils übte eine enorme Anziehungskraft auf Komponisten und auch Orgelbauer aus. Die Möglichkeit, für einzelne Werke ganz bestimmte Klangwirkungen vorschreiben zu können, entsprach dem Willen vieler Komponisten dieser Zeit. Doch anderswo waren die Orgeln kaum derart typisiert wie in Frankreich und boten daher gar nicht die Möglichkeit, eine bestimmte Registrierung vorzuschreiben, die vielleicht nur auf einem Bruchteil der Orgeln realisierbar war. Aus diesen Motiven heraus sind die vielfältigen Versuche, französische Klangelemente gerade in den stark diversifizierten Orgellandschaften Süd- und Mitteldeutschlands einzuführen, nur zu verständlich.

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