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Weingarten, Hauptorgel

Weingarten, Hauptorgel

Joseph Gabler, 1737-1750

Erhaltungszustand: Sowohl im Pfeifenbestand als auch in der technischen Anlage ist noch relativ viel originale Substanz erhalten, doch griffen die fortwährenden Reparaturen und Anbauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an vielen Stellen ein, ohne gewisse Schwächen des Gablerschen Werkes befriedigend lösen zu können. Schon im 18. Jahrhundert eine der vielbewunderten Orgeln Europas, konnte Gabler jedoch einige Anforderungen seines ursprünglichen Planes nicht voll funktionstüchtig umsetzen. Bei einer Rekonstruktion 1980-83 durch die Firma Kuhn, Männedorf, wurden alle späteren Anbauten beseitigt und der Gablersche Zustand wiederhergestellt, wobei einige Register rekonstruiert werden mußten.





Weingarten, Hauptorgel, Spieltisch

Gablers Orgel gilt zu Recht als eine der bedeutendsten Orgeln des 18. Jahrhunderts überhaupt. Schon zu ihrer Zeit galt sie als außergewöhnlich, und ihre Beschreibung durch Dom Bedos de Celles machte sie in ganz Europa bekannt. An Größe kommen ihr allenfalls einige niederländische Werke nahe, die immer wieder kolportierte Zahl ihrer 6666 Pfeifen (Gleichnis der Geißelhiebe Christi) in 66 Registern verlieh ihr geradezu eine mystische Aura, und die Art und Weise ihrer architektonischen Konzeption um die nicht weniger als sechs Fenster der Westwand herum brachte ihr den Ruhm eines absoluten Meisterwerks der barocken Orgelarchitektur, das vorbildhaft für viele nachfolgende Orgelbauprojekte werden sollte (vgl. etwa Füssen, St. Mang Hauptorgel; Irsee; Neresheim, hier Abb.20-22).

Gabler hatte beim Bau dieser Orgel nicht nur erhebliche Widerstände seitens der Auftraggeber zu bewältigen, sondern auch immense technische Probleme, die letztlich nicht vollständig zu lösen waren. Insbesondere die Register des Kronpositivs litten unter zu schwacher Windversorgung durch meterlange Kondukten, die Pfeifen selbst sind vergleichbar zu eng aufgestellt und behindern sich gegenseitig in Ansprache und Klangabstrahlung. Der spektakuläre freistehende Spieltisch, auf einer Art Bühne vor dem unteren Mittelfenster postiert und einer der ersten seiner Art, bedingte eine außerordentlich komplizierte und vergleichsweise schwergängige Traktur, was im 19. und 20. Jahrhundert zum Einbau diverser technischer „Spielhilfen“ (z.B. einer Barkermaschine) führten, ohne jedoch letztlich das Problem zu lösen.

Das traditionelle Prinzipalplenum der Weingartener Orgel ist daher sowohl für den Spieler als auch die Hörer wenig sensationell. Wer angesichts des imposanten Instruments eine ähnlich beeindruckende Klangfülle erwarten würde, stellt fest, daß dieser Orgel trotz vieler mehrfach besetzter Register und Mixturen eine geradezu kammermusikalische Reserviertheit eigen ist. Die eigentliche Besonderheit des Instruments liegt daher nicht in der Kraftentfaltung des Plenums, sondern in Reichtum und Vielfalt einer nahezu unerschöpflichen Zahl unterschiedlicher Klangfarben aus allen damals üblichen Registerfamilien einschließlich der Effektregister wie etwa die beiden Glockenspiele oder die Vogelstimmen. Besonders das über dem Spieltisch in Form zweier Trauben (als Anspielung auf „Weingarten“) sichtbar angebrachte Pedalglockenspiel kennzeichnet Gablers Intention, für diesen Reichtum an Klängen keine Mühen zu scheuen.

Musikbeispiel:

Ausschnitt aus Justin Heinrich Knecht, Capriccio
gespielt von Franz Raml

Disposition

IV+P

HW:
Praestant 16’
Principal 8’
Rohrflaut 8’
Piffaro 8’ 5-7f.
Octav 4’ 1-2f.
Superoctav 2’+1’
Hohlflaut 2’
Sesquialter 1½’ 8-9f.
Mixtur 2’ 9-10f.
Cimbalum 1’ 12f.
Trombetten 8’ (Kuhn)

OW:
Borduen 16’ 2-3f.
Principal Tutti 8’
Coppel 8’
Hohlflaut 8’
Unda maris 8’
Solicinale 8’
Violoncell 8’ 1-3f.
Mixtur 4’ 9-12f.
Octav douce 4’ (im Kronpositiv)
Viola 4’+2’ (im Kronpositiv)
Nasat 2’ (im Kronpositiv)
Cimbalum 2’+1’ (im Kronpositiv)

Echowerk:
Borduen 16’
Principal 8’
Flauten 8’
Quintatön 8’
Viola douce 8’
Octav 4’
Hohlflaut 4’ 2f.
Piffaro doux 4’ 2f.
Soperoctav 2’
Mixtur 2’ 5-6f.
Cornet 1’ 5-6f.
Hautbois 8’ (Kuhn)

Brüstungspositiv:
Principal doux 8’
Flaut douce 8’
Quintatön 8’
Violoncell 8’
Rohrflaut 4’
Querflaut 4’
Flaut travers 4’ 2f.
Piffaro 4’ 5-6f.
Flageolet 2’
Cornet 2’ 8-11f.
Vox humana 8’
Hautbois 4’
Carillon 2’ ab f0; im Spieltisch)
Tremulant


P:
(im Hauptgehäuse:)
Contrabaß 32’+16’
Subbaß 32’
Octavbaß 16’
Violonbaß 16’+8’
Mixturbaß 8’ 5-6f.
La force 49f. (Großmixtur für den Ton C)
Bombardbaß 16’ (als 32’ geplant; tlw. neu)
Posaunenbaß 16’ (tlw. neu)

(im Brüstungsgehäuse:)
Quintatönbaß 16’
Superoctavbaß 8’
Flaut douce 8’
Violoncellbaß 8’
Hohlflautbaß 4’
Cornetbaß 4’ 10-11f.
Sesquialter 3’ 6-7f.
Trombetbaß 8’
Fagottbaß 8’
Carillonpedal 2’ (in “Trauben” über dem Spieltisch)

Cuculus (Kuckuck), Rossignol, Cymbala (Cimbelstern), Tympanum

 

Film

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