Die Arbeit im Institut am einzelnen Instrument richtet sich nach folgenden Standards, die sich an den Grundsätzen der ICOM und CIMCIM [1] orientieren.
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[1] Comité
international pour les musées et collections d’instruments et de musique (International
Committee for Museums and Collections of Instruments and Music; Comité
internacional para museos y colecciones de instrumentos y de música)
I
Dokumentation
Im ersten Arbeitsstadium werden nicht nur die Dimensionen des Objekts und seiner Bestandteile messtechnisch erfasst, sondern auch die jeweiligen Spuren, die durch Herstellungsprozesse, Überarbeitungen, Reparaturen, Alterung oder auch Schadensereignisse entstanden sind.
Die Dokumentation konzentriert sich auf die möglichst vollständige Erhebung des Ist-Zustands des Instruments. Die Datenerfassung dient sowohl der Befundsicherung des gegenwärtigen Zustands des Objekts als auch als Grundlage für hermeneutische Deutungsschritte.
(Ein konkretes Beispiel aus der gegenwärtigen Arbeit hier)
II
Planerstellung
Auf der Basis der Dokumentation des Ist-Zustandes werden Pläne erstellt. Damit ist es erst möglich, einen hypothetischen Soll- bzw. Ursprungszustand zu erschließen, indem anhand der vorgefundenen Spuren und Veränderungen Rückschlüsse auf eventuelle Konzeptionen zum Zeitpunkt der Entstehung gezogen werden können. Solche können zudem virtuell umgesetzt werden, um deren Auswirkungen zu überprüfen, ohne dass dabei das Original angetastet werden muss.
III
Reverse-Engineering/Experimentelle Archäologie
Auf Basis derartiger Pläne und der erhobenen Spurenbefunde kann die Herstellung nachvollzogen werden, als eigenständiger Erkenntnisprozess im Sinne eines Reverse-Engineerings.
Ziel ist es, eine möglichst der Originalvorlage - einschließlich des anhand vorgefundener Spuren erschlossenen Herstellungsprozesses - entsprechende Faksimile-Kopie zu erstellen, bei der keinerlei "Verbesserung von Fehlern" oder "Optimierung" oder "Anpassung an technische/musikalische Erfordernisse" vorgenommen wird. Das Vorbild bleibt dabei weitestgehend unverändert erhalten, ist aber alleiniger Maßstab für die Herstellung der Kopie und deren Potential.
Die im Abgleich mit den vorgefundenen und dokumentierten Spuren der Herstellung überprüfbare Erforschung des Konstruktionsverfahrens ergibt im handwerklichen Nachbau des Instruments Einblicke in das konzeptionelle Vorgehen beim Original, ohne diese Spuren dort selbst zu zerstören oder auch nur zu beeinträchtigen.
(Einige Beispiele aus der gegenwärtigen Arbeit hier und hier).
Am Ende dieses Prozesses steht ein auf wissenschaftlicher
Basis entstandenes und überprüfbares Faksimile-Instrument, das als Grundlage
weiterer Forschungsansätze dienen kann.
IV
Potential der Faksimilierung
An einem solchen Faksimile lassen sich Spieleigenschaften,
Klangeigenschaften etc. theoretisch und praktisch nachvollziehen, ohne hierfür
das Originalinstrument heranziehen zu müssen, das somit als Denkmal wie als
Quelle für zukünftige Generationen und Forschungsinteressen bewahrt werden
kann.
Es bietet zudem den Vorzug, von den Überformungen, Alterungs- und Verschleißprozessen des Originalinstruments nicht tangiert zu sein und kann gleichzeitig als Prototyp und Referenz für weitere Faksimile-Instrumente dienen.
Es wird außerdem seinen eigenen spezifischen Alterungsprozess erfahren und damit Rückschlüsse erlauben, welche längerfristigen Auswirkungen aus einzelnen Bauweisen und deren Spuren am Original abzuleiten sind. Auch für Rückschlüsse auf die ursprünglich intendierte Gebrauchsdauer ergeben sich wertvolle Daten.
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