Das Instrument befindet sich zur Zeit im Stadium der Dokumentation und Planerstellung
Dieses auch äußerlich spektakuläre Instrument aus dem Heimatmuseum Oberammergau ist im gegenwärtigen Zustand das Resultat eines Umbaus von unbekannter Hand aus einem Cembalo, möglicherweise einem Kombinationsinstrument, in einen Hammerflügel. Dieser Umbau dürfte in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts vorgenommen worden sein. Dabei ist der Vorzustand wie seinerzeit erbaut durch Franz Jacob Späth in Regensburg 1761 massiv verändert worden. Das Instrument weist in gegenwärtigen Zustand einen Ambitus von F' bis f3 auf (61 Tasten); dieser ist durchaus typisch für diese Zeit und könnte der ursprüngliche gewesen sein.
Unsere Dokumentation hat daher mehrere Aufgabenstellungen: Zum einen die Dokumentation und Feststellung der äusserst aufwendigen Gestaltung im Chinoiserie-Geschmack der Zeit um 1760, zum anderen die Exploration des mutmaßlichen Ausgangszustands und der Veränderungen durch den Umbau in ein einmanualiges Pianoforte. Auch im jetzigen Zustand handelt es sich ohne jeden Zweifel um ein bedeutendes kulturelles und technisches Denkmal, das eine detaillierte Untersuchung rechtfertigt.
"Klavierflüge zu gewinnen.
Eine Klavierflüge, oder Fortepiano, so von Herrn Späth in Regensburg verfertigt, und mit 2 Manualen, wovon eines mit Kielen, und das zweite mit Hämmern und vier Veränderungen, samt dem dazu gehörigen Gestelle und Verschlag versehen ist, kann auf die den 23. Dezember 1784. zu München vorgehende 573ste Ziehung mittels des ersten Zuges gegen Erkaufung eines Billets pr. 1 fl. [Gulden] 30kr.[euzer] gewonnen werden. Die Billets sind bei Hrn. Emkem Kollekteur in der Knödelgasse* zu haben."
* heutige Hartmannstr. in der Münchener Altstadt
Die vordere Seitenwange zeigt deutlich Spuren relativ grober Nachbearbeitung. Vermutlich wurde das Instrument frontal gekürzt, dabei durch die gemalte Dekoration und das untere Zierprofil hindurch gesägt. Zu vermuten ist, dass das Instrument ursprünglich zwei Manuale besaß, und bei dem Umbau zum jetzigen einmanualigen Zustand um die entsprechende Länge des (dabei ausgebauten) unteren Manuals gekürzt wurde.
Ein offenbar im 18. Jahrhundert nicht unübliches Verfahren, um "Ladenhüter" von größerem Wert loszuwerden, war ein Ausloben als Lotteriegewinn. Dies indiziert, dass das eigentliche Objekt wohl keinen Käufer mehr fand, andererseits aber noch genügend attraktiv erschien, um Loskäufer anzuziehen.
Eine Verlosung eines "Klavierflüge[l]s" sollte vor Weihnachten 1784 in München stattfinden. Der Text läßt anklingen, daß es sich um ein (als potentielles Weihnachtspräsent?) durchaus interessantes Wertobjekt handelte.
Der Hinweis auf den dazu gehörigen ... Verschlag zeigt, dass das Instrument noch mit seiner "Versandverpackung" versehen war, damit wohl noch so wie es aus der Werkstatt nach München geliefert worden war, aber eben dort keinen ernsthaften Käufer fand.
Auch wenn diese Münchener Auktion direkt vermutlich nichts mit dem Oberammergauer Instrument zu tun hat, gibt sie dennoch einige Indizien, wie derartige Instrumente Späths möglicherweise beschaffen waren, und wann dieser Instrumententyp außer Mode kam (und vielleicht die Idee entstand, dieses Instrument etwas zu modernisieren).
aus D-DRslub Mscr.Dresd,App.3165/3 (Silbermann-Archiv), pag. 226-228 (Briefwechsel):
Spath (Franz Jacob)
Von Regensburg. Hat Ao. 1755. den 10then Julii an mich geschrieben, weilen er ein 16.füßig Orgelwerk[*] unterhanden halte, wozu er einen perfecten Orgelmachers-Gesellen, der auch mit der Zinn-Arbeit wohl umzugehen wüßte, benötigt hätte, ersuchte er mich einen solchen ihm zu kommen zu lassen, weil ihm wohl bewust ist, daß sich bey mir die besten Leute von allen Orten in Condition bewerben.
Ao. 1764, den 28. Julii hat er mir wieder geschrieben: daß weilen er das 50.te Jahr erlebet, und seine angespannte Kräften abwerts gehen wollen, Zu diesem keine männliche Succession, sondern 3 Töchter hat, so wäre er entschlossen, einen Christlichen und geschückten Menschen, welcher in der Orgelbau Kunst was rechtes gethan, vollkommen glücklich zu machen. Da er nun glaubet, daß mir ein zimlicher District um Straßburg von Orgelmachern werde bekannt seyn, so nähme ers für eine Göttliche Fügung an, wann ich ihme ein geschücktes Subjectum, am allerliebsten aber einen Schüler von mir, vorschlagen könnte.
Anbey meldete er: Zum Preiß Gottes habe dermalen wider ein Clavessin von 2000 Rfs in Arbeit. //
Im nemlichen 1764ten Jahr unter dem 11.t October widerhohlte er sein voriges Verlangen, und daß seine größte Tochter erst 14. Jahr hat. Er wäre Content wenn er einen jungen Menschen wüßte der ein gutes Clavier spiele, Zum Inventieren inclinierte, eine nette Pfeiffe machen, intoniren und stimmen lernte. Er wüßte einen jungen Orgelmachers-Gesellen welcher ehedesten bey ihm in Condition war, allein im Clavierspielen ist er nichts, hat einen Trieb in der Orgelmacher Kunst sich zu perfectionieren. Bey ihme aber wäre die Gelegenheit hiezu nicht. Er wollte demnach mir die Vorstellung theilen etliche Jahre Jahr einen solchen Menschen beynebst seiner treuen Dienst, providiren zu laßen, er stünde dermalen in Sachsen in Arbeit, und flattirt sich bey ihm sein Glück zu machen &c.
Ao 1774 d 12 Xbris schrieb mir Do. Spath wieder einen höflichen Brief worin er mir Bericht ertheilte, daß ihm Gott bey seinen vielen Geschäften einen geschickten Tochtermann Namens Schmahl Orgelbauers Sohn aus Heilbronn am Neckar bescheret. Er meldet anbey: dieser hat Lust dero seel. Herrn Bruders in Dreßden seine Aufwartung gemacht // alda alle Ehr empfangen, ist ihm auch Condition angeboten worden, allein wegen meinem Verschreiben, bedauerte mein Hr Sohn. daß er nicht von konnte providiren.
Er hat dato noch eine heurathsmässige Tochter, deren er auch einen geschückten Künstler von unserer Kunst wünschen möchte.
Diesen Brief unterschrieb er Spath & Schmahl.
Dieser Künstler macht von seiner Clavessin-Arbeit, wie pag.226 zu lesen, erschröcklichen Wind. Ein Herr von Waldburg, der 1777. bey uns war, hat seine Instrumente gesehen, und will nichts rühmliches davon sagen.
* Dieses Orgelwerk war vermutlich die Orgel der Regensburger Dreieinigkeitskirche.
Auch Johann Andreas Stein arbeitete in jenen Jahren an ähnlichen Konzepten.
"Modernisierungen", wie sie hier passiert sind, waren trotz aller gegenteiligen Beteuerungen offenbar nicht ungewöhnlich. Die deutlich von Späth abweichende Machart des Pianoforte-Umbaus hier läßt vermuten, dass Späth&Schmahl dabei wohl nicht tätig war, sondern jemand, der zwar grundsätzlich vertraut war mit der Beschaffenheit und Funktionalität eines Pianofortes, aber nicht den bekannten Werkstatttraditionen zuzurechnen ist.
Dass die Generation der Schüler von Silbermann, Späth, Friderici und Stein aber durchaus keine Skrupel hatte, solche Konversionen vorzunehmen, zeigt ein Inserat eines bisher weitgehend unbekannten Ex-Lehrlings oder -Gesellen Steins, Johann Georg Kuppler, in den Bayreuther Zeitungen vom 27. März 1786, der es nicht versäumt, all seine Erfahrungen und sein von seinen Lehrern Stein und Friederici erlerntes Angebot vorzustellen.
An das musikalische Publikum.
Einem verehrungswürdigen musikalischen Publiko macht der aus Speyer gebürtige und dahier sich eta-//blirte Instrumentenmacher, Johann Georg Kuppler, welcher seine Kunst bey den zwey berühmten Künstlern Hrn. Stein in Augsburg und dem verstorbenen Hrn. Friderici in Gera erlernt hat, hierdurch bekannt, daß bey ihm folgende Clavier.Instrument um billigste Preiße neu verfertiget werden, als, Clavichord's von verschiedenen Sorten, Fortepiano's, sowohl Flügel- als auch Klavierförmige, Melodica und Vis a Vis-Flügels. Güte des Tons, Fleiß und Dauer sowohl der innern als äußern Structur dieser Instrumente werden zu seiner Empfehlung sprechen, so wie er sich auch allen respectiven Liebhabern durch promteste Aufwartung recommandiren wird; und sich deshalb auf das Zeugnis der hiesigen Kenner berufet, deren Beyfall er in der kurzen Zeit erlangt zu haben, sich rühmen darf. Da auch viele Liebhaber bey jetziger Abnahme und Verfall der bekielten Clavecin's mit solchen Instrumenten versehen oder vielmehr belästigt sind. so können sich solche, (wenn das Corpus noch gut ist) auch in Ansehung einer Umänderung zu einem Fortepiano an ihn wenden, wovon er schon einige mit gutem Erfolg umgearbeitet hat. Finden sich auswärtige Gönner und Freunde, welche Commissiones für ihm übernehmen wollen, so sind sie ihm sehr willkommen, und wird sie aufs Beste für ihre Mühewaltung contentiren. Bayreuth, den 18. May 1786.
Johann Georg Kuppler.
Kuppler, der bald darauf nach Nürnberg umzog, mag als Erbauer und Anbieter der mit Stein assoziierten Erfindungen Melodica und Visàvis-Flügel anhand seiner Vorgeschichte weniger erstaunen als die Offenheit, mit der die Geschmacksveränderungen der 1780er Jahre und die mit ihren alten Cembali "belästigten" Musikliebhaber direkt angesprochen werden - und Kupplers Fertigkeit, dies durch Umänderung zu einem Pianoforte den neuen Hörerwartungen anzupassen. Er dürfte sicherlich nicht der einzige Klavierbauer seiner Generation gewesen sein, der solche Ideen hatte und seinen Kunden anbot.
Die Zeit um 1760 erlebte einen bemerkenswertem Aufschwung neuer Klaviermusik. Es ist leider nicht mehr nachvollziehbar, welche Musik an seinem mutmaßlichen Bestimmungsort, dem Kloster Ettal, auf diesem Instrument gespielt worden ist, da die dortigem Musikalien nach der Aufhebung des Klosters 1803 verschwunden sind, aber an seinem Entstehungsort Regensburg inserierte der Herausgeber der dortigen Zeitung, des "Regensburger Diariums", regelmäßig die neu erschienenen Musikalien, die bei ihm zu erwerben waren.
So empfahl er in einem Inserat in der Nr. VII am 17. August 1762, ein Jahr nach Entstehung des Oberammergauer Instruments, neue Musik für Cembalo bzw. Clavier von Wagenseil, Josef Antonín Štěpan und [Carl Philipp Emanuel] Bach. Es handelte sich durchweg um Neuerscheinungen der damals wohl beliebtesten Komponisten für Klaviermusik aus Wien und Berlin. Ob dies auch den Geschmack der Käufer dieses Instruments getroffen hat, ist nicht bekannt, dem herrschenden Zeitgusto entsprach dies jedoch sicherlich.
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